Hans Biegert ist ein bedächtiger Mann. Er hört gut zu und schafft schnell eine vertrauensvolle Gesprächs-Atmosphäre. Obwohl er viel zu erzählen hat, lässt er seinem Gast viel Raum, um über sich zu berichten. Sein Interesse an Menschen ist augenscheinlich und einnehmend. Sicher ein, wenn nicht das Erfolgsrezept für seine Privatschule HEBO in Bonn-Bad Godesberg.
Hans Biegert wurde am 24. Juni 1949 in Velmede im Sauerland geboren. Sein Vater Hans Biegert Senior und seine Mutter Paula Biegert, geborene Halsband, betrieben ein Friseurgeschäft und hatten rund um die Uhr zu tun. Da blieb wenig Zeit, die schulische Laufbahn des Sohnes zu unterstützen. Zunächst begann alles relativ reibungslos in der Grundschule. Dann wechselte Biegert auf das Benediktiner Gymnasium in Meschede. Dort wurden die Anforderungen höher, zu hoch für den jungen Hans Biegert. Er musste in der achten Klasse das Gymnasium verlassen, weil die Fünfen in den Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch kein Weiterlernen zuließen.
Zu dieser Zeit war der 15-jährige Biegert begeisterter Schlagzeuger, der häufig an den Wochenenden mit seiner Band unterwegs war. Da kam es ihm zupass, dass sein Vater ihm eine Friseurlehre anbot. Hatten Friseure doch montags immer frei. Er merkte aber schnell, dass dies nichts für ihn war. So brach er seine Friseurlehre nach anderthalb Jahren ab und begann eine Schlosserlehre bei den Honselwerken in Meschede. Wie Biegert selbst sagt, war dies sehr hilfreich für ihn, da er hier zum ersten Mal klare Strukturen und strikte Regeln kennenlernte.
„Das habe ich alles Klaus Wedepuhl zu verdanken“
Noch viel einschneidender war für Hans Biegert allerdings, dass er Klaus Wedepuhl als Klassenlehrer in der Berufsaufbauschule bekommen sollte. „Ihm habe ich alles zu verdanken,“ sagt Biegert rückblickend. „Er war wie ein zweiter Vater für mich. Er hat mich gefördert und meinen weiteren Bildungsweg geprägt.“ So gelang es Biegert die mittlere Reife zu machen und als Bester landesweit seine Schlosserlehre abzuschließen.
Schon damals faszinierte Biegert der pädagogische Ansatz seines Lehrmeisters Wedepuhl, über die persönliche Beziehung das Beste aus seinen Schülern herauszuholen. Über den zweiten Bildungsweg machte Hans Biegert dann am Westfalen Kolleg in Paderborn sein Abitur. Zu dieser Zeit wohnte er kostenfrei im Knabenkonvikt „Liborianum“, weil er dort nebenbei als Förderlehrer für Mathematik arbeitete. Diese erste Lehrerfahrung tat ihm „total gut“, so Biegert, weil er mit dem Wedepuhlschen Lehransatz seine Schüler persönlich für Mathe begeistern konnte.
Nach dem Abitur ging Hans Biegert Anfang der 70er Jahre an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, um Mathematik und Informatik zu studieren. Auch hier finanzierte er sich durch Mathe-Unterricht, hier am Bertha-von-Suttner-Gymnasium in Andernach. Dort war er nach seinem erfolgreich abgeschlossenen Studium auch weiterhin als Gymnasiallehrer tätig.
Gründung der HEBO-Privatschule
In Hans Biegert reifte der Entschluss, seine eigene Schule zu gründen. Er erlebte in Andernach immer wieder, dass viele Schüler scheiterten, obwohl sie geistig in der Lage gewesen wären, das Abitur zu machen. „Das muss doch auch anders gehen“, dachte sich Biegert.
Seine Erfahrungen als Lehrer mit großen Schulklassen mit über 30 Schülern machte ihm deutlich, dass nur das Lernen in kleinen Gruppen helfen kann. Und noch entscheidender, so Biegert, ist die persönliche Schüler-Lehrer-Beziehung: „Kann diese aufgebaut werden, ist das schon mehr als die halbe Miete auf dem Weg zum Lernerfolg.“
So gründete Hans Biegert mit geliehenem Geld von seinem Bruder 1978 die Hebo-Privatschule. Das Haus in der Rheinallee 4 in Bonn-Bad Godesberg sollte die erste Heimstätte für die Schule werden. Leider teilte ihm die Stadt Bonn mit, dass das Gebäude für den Schulbetrieb baulich nicht zugelassen sei. Aber Glück im Unglück, der Sachbearbeiter gab ihm den Tipp, er solle es „Am Büchel“ probieren. Denn dort schloss die britische Schule ihre Tore.
So kam es, dass die HEBO-Privatschule in dem noch heute bestehenden Haupthaus als Ergänzungsschule seinen Betrieb mit 60 Schülern aufnahm. Die Form der Ergänzungsschule wählte Hans Biegert, da er mit dieser Schulform große Freiheiten hatte, das schulische Leben zu gestalten. Das Fächerangebot und die Stundenzahlen glichen den herkömmlichen Schulen, aber alles andere konnte er frei gestalten.
Pädagogische Leitplanken für ein erfolgreiches Lernen
Auf diese Weise konnte er seine einfachen Kernpunkte umsetzen: Persönliche Lehrer-Schüler-Beziehung, individuelle Förderung, kleine Klassen und ein soziales Schulklima. Ihm war es wichtig, dass jeder Lehrer nicht nur den normalen Unterricht anbot, sondern auch Förderunterricht. Damit konnte jeder Lehrer vor einer Klassenarbeit sehen, wer benötigt noch Unterstützung, um die Prüfung zu schaffen. Damit stellte Biegert die Vorgehensweise herkömmlicher Schulen auf den Kopf, da dort erst die Arbeiten geschrieben werden und danach die Nachhilfe folgt.
Die pädagogischen Leitplanken von Hans Biegert fußen auf kontinuierlichem Feedback an die Schülerinnen und Schüler. So gibt es fünf Zeugnisse im Schuljahr an der HEBO-Privatschule statt nur eins. Der dauernde Dialog hilft den Schülerinnen und Schülern festzustellen, wo sie stehen und was zu tun ist, um erfolgreich die Prüfungen zu meistern.
Im Laufe der Jahre wuchs die Schule stetig bis zur heutigen Größe mit rund 350 Schülern und 50 Lehrkräften an. Es sprach sich deutschlandweit herum, dass hier etwas Besonderes entstanden war. Insbesondere Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, dem sogenannten ADHS, fanden ihren Weg zum HEBO. So wurde die Unterbringung vieler Schüler notwendig. Durch die gute Zusammenarbeit mit der nur einen Steinwurf weit entfernten Otto-Kühne-Schule konnten im dortigen Internat einige Schüler unterkommen.
Die Kapazitäten reichten auf Dauer nicht aus. 2007/2008 gründete Silke Andrews die Villa Argo. Das erste Internat, das ausschließlich für die Privatschule tätig ist. Es folgte eine zweite Einrichtung, das Bad Godesberger Internat Maichle, abgekürzt GIM. Beide Einrichtungen beherbergen heute rund die Hälfte aller HEBO-Schüler.
Für seine Nachfolge stellte Biegert vor zehn Jahren die Weichen. Er übergab die Geschäftsführung an seinen Stiefsohn Volker Klein, der bis heute die Geschäfte führt.
Was können wir vom HEBO lernen?
Biegert erhält für sein Lebenswerk viel Anerkennung und wird jede Woche von Schulen und Lehrkräften angefragt, sein pädagogisches Konzept zu erläutern. Der Bedarf an positiver Förderung in der Schule nimmt stetig zu. Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts wächst der Anteil an Schülern mit besonderem pädagogischen Förderbedarf von 10-15 Prozent auf 20-25 Prozent. Damit kommt der individuellen Unterstützung eine immer wichtigere Rolle zu. Biegert meint: „Die aktuelle Entwicklung geht schon in die richtige Richtung. Die Einsicht hierzu ist schon deshalb zwingend, weil wir nicht genug nachkommende Fachkräfte haben. Deshalb geht es nicht, Kinder mit Potential am Wegesrand liegen zu lassen.“
In punkto Lehrerausbildung fordert Biegert: „Hier muss noch viel, viel stärker als bisher auf pädagogische Kernthematiken abstellt werden, weniger fachwissenschaftlich didaktisch, sondern mehr pädagogisch und psychologisch.“
Hans Biegert wünscht sich für die Zukunft, dass die Schullandschaft in Deutschland harmonisiert wird. „Die 16-fache Zergliederung in Deutschland ist eine Katastrophe“, so Biegert. „Es muss möglich sein, wenn eine Familie von Niedersachsen nach Bayern zieht nahtlos die Schule zu wechseln.“ Bleibt zu hoffen, dass seine Wünsche in Erfüllung gehen.